Václav Havel

Seine Freiheit, unsere Freiheit

Václav Havel und das Burgtheater

22. September 2016 bis 17. April 2017

Vom regimekritischen Bühnenautor und Dissidenten, der zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurde, bis zum Staatspräsidenten führt die Biographie Václav Havels, der am 5.10.2016 seinen 80. Geburtstag feiern würde.

Unter Direktor Achim Benning wurden Havels Stücke im Burgtheater vielbeachtet uraufgeführt - respektvoll nannte der Mann, der nicht in der Lüge leben wollte, die Wiener Bühne daher auch sein Muttertheater - mateřské divadlo.

Anna Freimanová, Václav Havels langjährige Weggefährtin und Beraterin während seiner Präsidentschaft kuratierte die gemeinsam mit der Václav-Havel-Bibliothek Prag konzipierte Ausstellung. Das Theatermuseum zeigt diese nun in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Zentrum Wien.

Foto: ©Václav Havel Library / Ondřej Němec

Highlights

 

Pressestimmen

 

Das „Muttertheater“ Václav Havels in Wien

In einer kleinen, feinen Ausstellung im Theatermuseum wird die intensive Beziehung des Prager Dramatikers zu Wien gezeigt, die Burgtheaterdirektor Achim Benning initiierte.

... Es ist das Verdienst des damaligen Burgtheaterdirektors, dass er Havel, dem Verfolgten und Verfemten, der ein wesentlicher Initiator der oppositionellen Bürgerrechtsbewegung Charta 77 war, in Wien eine Bühne für seine aufklärerischen, gesellschaftskritischen und meist auch leicht absurden Stücke gab...

Die Premieren waren Widerstand gegen ein diktatorisches Regime, wie begleitende Texte demonstrieren. Die Dramen ... werden durch Programmhefte, Szenenfotos, das Modell eines Bühnenbilds, Kostüme und vor allem auch Briefe hilfreich kontextuiert... Auratisch wirken die abgewohnten Gartenmöbel Havels aus seinem kleinen Haus in Hrádecek im Norden von Böhmen und seine orange mechanische Schreibmaschine aus den Siebzigerjahren.

Im Finale, wenn es nicht mehr um Literatur geht, sondern um Politik, triumphiert die Vernunft: Havel, der vielfach Geehrte, wird als Präsident gezeigt, der aufsehenerregende Reden hält, man sieht ihn auf Fotos unter den Großen der internationalen Politik, auch mit Papst Johannes Paul II. – Havel ist bereits ein älterer Herr, der noch nicht vergessen hat, wie man verschmitzt lächelt.

Die Presse, Norbert Mayer, 22.9.2016

 

Václav Havel als Dramatiker: Verboten, aber doch gespielt

Das Theatermuseum erinnert mit einer Ausstellung zu Václav Havel an die vom damaligen Direktor Achim Benning initiierte "tschechische Periode" des Burgtheaters. Die Schau ehrt einen von der Politikerrolle überstrahlten Dramatiker.

... Seine Freiheit, unsere Freiheit. Václav Havel und das Burgtheater versammelt in zwei Räumen Dokumente aus den betreffenden Jahrzehnten. Anna Freimanová, Hávels langjährige Kulturberaterin in seiner Zeit als tschechischer Staatspräsident, hat die gemeinsam mit der Václav-Havel-Bibliothek Prag konzipierte Schau kuratiert. Sie ist chronologisch aufgebaut und enthält viel Lesestoff.

Neben einem Gartenmöbelset vom Exildomizil auf Hrádecek und einer Schreibmaschine sind es Briefe, Plakate, Fotografien, Zeitungsausschnitte, Bücher und Manuskripte, die die "tschechische Periode des Burgtheaters" (Benning) plastisch machen. Sogar ein Bühnenbildmodell von Herbert Kappelmüller für die Aufführung von Largo desolato (1985) ist erhalten, ebenso Kostümskizzen von Leo Bei für Havels autobiografisch geprägte Bühnenfigur des Ferdinand Vanek... 

Der Standard, Margarete Affenzeller, 25.9.2016

 

Václav Havel, Dissident, Dramatiker und Held

Kampf mit Kunst: Das Burgtheater hielt zu Havel und spielte Stücke des Dramatikers, der in seiner kommunistischen Heimat im Gefängnis saß.

... Manche Mitstreiter wurden ausgebürgert, Václav Havel landete im Gefängnis. Der damalige Direktor des Burgtheaters, Achim Benning, setzte mutig Havels zu Hause mit einem Aufführungsverbot belegten Stücke...auf den Spielplan. Das Burgtheater wurde sein „Muttertheater“. Diese enge Beziehung beleuchtet eine Ausstellung aus dem Bestand der Havel-Bibliothek in Prag, sie zeigt einen bebilderten Lebensweg mit zahlreichen Dokumenten, Theaterplakaten, Handschriften, Briefen, Szenenfotos und Zeitungsausschnitten.

Salzburger Nachrichten, Ernst P. Strobl, 22.9.2016

 

Denkmäler der Solidarität

 

 

Die Ausstellung "Seine Freiheit, unsere Freiheit - Vávlav Havel und das Burgtheater" im Theatermuseum erinnert an das Engagement für einen Wegbereiter im "Prager Frühling". Seit 1963 wurde in Ost und West sein "Gartenfest" gespielt, in Wien zuerst im Volkstheater. Als Erstunterzeichner des Staatsreformaufrufs "Charta 77" kam Havel ins Gefängnis. Nach der "Samtenen Revolution" 1989 wählten ihn Tschechen und Slowaken als Staatsoberhaupt. Für den 2011 Verstorbenen wurde in Prag die Václav-Havel-Library eingerichtet, geleitet vom Weggefährten Michael Zantovský. Der veröffentlichte 2014 die maßgebliche Biografie "In der Wahrheit leben".

Als Moralist, Politdenker, Architekt des demokratischen Wiederaufbaus, als Pater Patriae Tschechiens und der Slowakei, ist Vacláv Havel unvergessbar. Sein "In der Wahrheit leben" sagt ihm bald jeder Sonntagredner nach. Doch was ist an dem Dramatiker dran, der Havel schließlich auch war?

Der Berliner Theaterhistoriker Joachim Fiebach verschweigt ihn in seiner Weltgeschichte des Theaters - aber in ihr kommen auch Arrabal, Mrozek und Pinter nicht vor. Können Szenenfotos, Manuskripte, Behördendokumenten, Bühnenmodelle die heutigen Spielplanmacher von der Qualität des Dramatikers Havel überzeugen?

Lenz, Böll, Grass, Dürrenmatt unterschrieben 1976 Bittgesuche - und Rudolf Melichar als Ensemblevertreter, das bekommt man in der Ausstellung dokumentiert. Und dass nur klitzekleine Buchstaben Platz hatten auf den Kassibern an Frau Olga. Leicht zu übersehen, doch Monument in der Geschichte der Künstlersolidarität ist der mit einer Wachsmatrize vervielfältigte Aufruf von Amnesty International für Havel und die Charta 77 bei einer Sonderaufführung im Akademietheater. Kreisky, Taus, Benya, Androsch, Sinowatz, Busek, Koren unterstützten das Ensemble.

Sieben Uraufführungen

Achim Benning brachte in seinen zehn Jahren Direktion sieben Havel-Uraufführungen heraus. Viele Ensemblemitglieder, voran Joachim Bissmeier, verliebten sich in die hintersinnig-ironischen Parabeln. Existenz- und Gesellschaftskritik trieb Havel in scheinbarem Unernst ins Absurde. Sein dialogbetontes kopflastiges Theater war mit Doppelbotschaften Richtung Welt und Heimat unterfüttert. Doch was daheim verboten war, war in der Fremde nur ein Minderheitenprogramm! Benning-Nachfolger Claus Peymann kalkulierte richtig: Mit Havel kann man nie deutscher Meister werden. Oder musste Peymann dem Minister Zilk, der ihn engagierte, vorab zugestehen, das tschechische Exiltheater in der Burg - dabei auch Pavel Kohout, Pavel Landovsky - zu liquidieren? Heute weiß man mehr über die Rolle, die Helmut Zilk für Prag gespielt hat. Eine Frage an Peymann ist noch offen.

Die Reise zur Premiere der Einakter "Audienz" und "Vernissage" am 9. Oktober 1976 verweigern die tschechischen Behörden dem Autor. Unterrichtsminister Fred Sinowatz interveniert in Prag vergebens für den Gewinner des Staatspreises für europäische Literatur 1968. Im Einakter "Audienz" hilft ein zu Strafarbeit kommandierter Intellektueller seinem buchstabenschwachen Bewacher beim Abfassen der Spitzelprotokolle. Bissmeier als "Vanek" in skrupulantem Doppelspiel. In "Vernissage" nerven Bobos unseren Intellektuellen. In "Protest" ist der Kopfmensch unter seinesgleichen gefallen: eine Resolution unterschreiben oder nicht? Wenn Havel sich beim Premierenapplaus verbeugen sollte, fuhr statt des erzwungenermaßen Abwesenden ein Schild mit seinem Namen aus dem Schnürboden. Verlässlich tobender Applaus!

1999 wurde Havels "Muttertheater" im Theatermuseum gewürdigt. Auch damals sprachen Fürst Schwarzenberg und Benning zu Eröffnung. Nun wieder verlorene Liebesmüh’? Er hoffe, sagte Benning, "dass Havel nicht wieder auf die Bühne gerufen wird vor verschlossenem Vorhang".

Wiener Zeitung, Hans Haider, 6.10.2016

 

 

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